Keine außergewöhnlichen Umstände
Mechaniker fehlt
Wenn eine dringende Reparatur am Flugzeug notwendig ist damit ein Flug stattfinden kann und es ist aber kein Mechaniker vor Ort, der die Reparatur durchführen kann, so stellt das keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Die Fluglinie hat dafür zu sorgen, dass sie alles in ihrem Einflussbereich Mögliche getan hat eine solche Situation zu vermeiden, die dazu führt, dass ein Flug eine große Verzögerung hat oder überhaupt storniert werden muss.
Wenn ein qualifizierter Mechaniker an dem Ort fehlt, wo ein reparaturbedürftiges Flugzeug steht, ist das kein „außergewöhnlicher Umstand“ (AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.06.2013 - 3 C 387/10-35, RRa 2010, 290). Die Airline muss daher in diesem Fall eine Flugentschädigung leisten.
Auslösen einer Notrutsche durch Passagier
Nur wenn ein Fluggast die Notrutsche auslöst, kann die Airline von einem außergewöhnlichen Umstand sprechen, der die Airline vom Leisten einer Entschädigung für Verspätungen und Flugannullierungen entbindet. Dabei muss aber die Fluggesellschaft nachweisen, alles unternommen zu haben, dass das nicht passiert. Hat ein Mitglied der Crew die Notrutsche ausgelöst, wie zum Beispiel beim Öffnen der Türen, so ist dieses Ereignis nicht als außergewöhnlicher Umstand zu betrachten. Die Airline muss für die daraus resultierenden Folgen Flugentschädigung zahlen.
Giftige Dämpfe und Rauch in der Kabine
Wenn giftiger Rauch oder Dampf in das Cockpit kommen, so kann sich die Fluglinie nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen und ist zu Schadenersatz verpflichtet, sollten die sonstigen Voraussetzungen dafür vorliegen.
Mangelhafte Wartungsarbeiten
Kommt es zu einer Verspätung eines Fluges wegen dringend durchzuführender Wartungsarbeiten am Flugzeug, so ist die Airline dafür verantwortlich, weil die Wartungsarbeiten vorhersehbar waren und somit in deren Einflussbereich fallen. Selbst die Durchführung des Wartungsplanes befreit das Luftfahrtunternehmen nicht vor Zahlung der Flugentschädigung. Das gilt insbesondere auch für Teile an Flugzeugen, die nicht einer gesetzlich vorgeschriebenen Wartung unterliegen.
Störung von Wetterradar, Hydraulik, Höhenruder-Steuerung, Kraftstoffsystem, Benzinpumpe oder Toilette des Flugzeugs
Wenn das Wetterradar des Flugzeuges ausfällt und entsprechende Reisezeitverzug bei den Fluggästen verursacht, so stellt dieser technische Defekt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Verordnung 261/2004 zum Fluggastrecht dar. Das gleiche gilt auch für Hydraulik-Lecks, defekte Höhenruder, kaputte Höhenruder-Anzeigen, ein Leck im Kraftstoffsystem oder eine defekte Benzinpumpe. Sogar eine verstopfte Flugzeugtoilette führt nicht zu einem außergewöhnlichen Umstand, weil alle diese technischen Defekte im Einflussbereich der Fluggesellschaft liegen und dies für ein funktionierendes Flugzeug und dementsprechend pünktliche Flüge sorgen muss. In allen diesen Fällen hat die Airline Flugentschädigung zu leisten.
Flugzeug verliert Hydrauliköl
Das Hydraulik-System eines Flugzeuges ist kompliziert und essentiell für sicheres Fliegen. Wird hier vor dem Abflug ein Fehler entdeckt, kann die Maschine nicht starten und es kommt zu Verzögerungen – das reibungslos funktionierende Hydraulik-System eines Flugzeuges liegt aber im Einflussbereich der Fluglinie und entbindet diese nicht von der Zahlung der Flugentschädigung. Gleiches gilt auch bei Fehlern im elektronischen System oder einem verstopften Kerosin-Filter durch unreines Kerosin. Auch beim Verschulden Dritter, der zum Beispiel verunreinigtes Kerosin geliefert hat, verneinte ein Gericht einen außergewöhnlichen Umstand.
Seltene Technische Defekte
Selbst wenn ein technischer Defekt nur sehr selten auftritt, ist er nicht unbedingt ein außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Fluggastrechtes. Sogar wenn alle sonstigen Wartungsarbeiten ordnungsgemäß ausgeführt worden sind, liegt die Verantwortung bei der betroffenen Airline.
Einhaltung der Mindesterfordernisse bei Wartungsarbeiten
Eine Fluggesellschaft kann sich nicht darauf berufen, dass sie die Mindestanforderungen zur Wartung des Flugzeuges eingehalten hat und somit keine Entschädigung an Flugpassagiere zahlen muss. Kommt es wegen mangelhafter Wartung zu großen Verzögerungen im Flugverkehr muss die Fluggesellschaft natürlich Flugentschädigung zahlen.
Ausfall eines Geschwindigkeitsanzeigers
Ein besonders kurioser Fall unterstrich die Verantwortung der Airlines hinsichtlich des technisch einwandfreien Zustands ihrer Flugzeuge sowie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Abhaltung der Flüge. Eine Biene in einem Staurohr führte zum Defekt der Geschwindigkeitsmessung und das sollte ein außergewöhnlicher Umstand sein, wegen dem die Airline von der Verpflichtung Entschädigung zu zahlen, frei wäre. Das Gericht meinte die Airline hätte das Staurohr eben am Stand abdecken sollen und verpflichtete die Airline Flugentschädigung zu zahlen.
Umbuchung trotz laufendem Boarding
Ist ein Boarding zu einem Anschlussflug noch möglich und die Fluglinie verweigert dieses mit Hinweis auf die Umbuchung, so begründet diese Verweigerung des Boarding Ausgleichszahlungen, wenn es in der Folge zu großen Verzögerungen kommt. Rechtlich gesehen stellt es eine Verweigerung der Beförderung trotz gültigem Ticket dar und somit hat der Fluggast Anspruch auf Flugentschädigung gemäß EU Verordnung 261/2004.
Ein nur vermuteter Streik ist kein außergewöhnlicher Umstand
Weil ein Flugunternehmen einen Streik befürchtet und daher schon im Vorhinein das Boarding verweigert oder den Flug streicht, so stehen den von der Annullierung betroffenen Passagieren Flugentschädigung zu. Denn die Airline kann sich nicht auf den bloßen Verdacht eines Streikes als außergewöhnlichen Umstand berufen.
Ausfall von Besatzungsmitgliedern
Eine bei Flugverspätungen oftmals gehörte Entschuldigung von Airlines ist der Ausfall eines Besatzungsmitgliedes. Tatsächlich muss für 50 Flugpassagiere zumindest ein Flugbegleiter an Board sein. Sollte jedoch ein Flugbegleiter erkranken und es dadurch zum Ausfall eines Fluges kommen, so muss die Fluggesellschaft trotzdem die Flugentschädigung zahlen, weil es allein der betrieblichen Sphäre der Airline zuzurechnen ist, wenn ein bei ihr beschäftigter Mitarbeiter erkrankt und deshalb die für ihn vorgesehenen Aufgaben nicht wahrnehmen kann. Es handelt sich also nicht um „höhere Gewalt“, sondern es ist für solche Fälle von der Fluggesellschaft Vorsorge zu leisten, dass es zu keinen Streichungen von Flügen oder großen Flugverspätungen kommt.
Beschädigung beim Rückwärtsrollen
Ein besonderer Fall wurde einmal von einer Airline als außergewöhnlicher Umstand reklamiert, um keine Entschädigung für einen Flugausfall zahlen zu müssen. Dabei war das Flugzeug ins Rollen geraten und wurde in der Folge beschädigt. Die Fluglinie musste trotzdem Flugentschädigung zahlen, weil es in der Verantwortung der Fluglinie lag, das Flugzeug gegen unkontrolliertes Rollen zu sichern.